Über Globales Lernen
Ein offenes, vorläufiges und vielfältiges Konzept zeitgemäßer Allgemeinbildung
Unser Handy wird in China hergestellt, die Musik, die wir hören, kommt aus den USA, unser Fußball kommt aus Pakistan, die beste Freundin kommt aus Chile und unsere Jeans wird zwar in der Türkei genäht, deren Einzelteile haben aber tausende Kilometer zurückgelegt bis sie bei uns im Geschäft landet: Globale politische, soziale, wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Entwicklungen spiegeln sich in unserem alltäglichen Leben wider. Sie führen zu sich verändernden Weltbildern und zu neuen Lebens- und Arbeitsformen. Die globalen Entwicklungen eröffnen Chancen zu vielfältigen Kontakten und neuen Erfahrungen; die immer komplexeren Zusammenhänge lösen aber auch Unsicherheit und Abwehr aus.
In dieser Situation kommen Bildung allgemein und insbesondere Schule eine entscheidende Rolle zu: Sie vermitteln Kenntnisse, Fähigkeiten und Werte und ermöglichen, in sich rasch verändernden Lebenszusammenhängen Orientierung zu finden und im Wissen um deren Globalität die eigenen Möglichkeiten zur Mitgestaltung einschätzen zu können.
(Strategiegruppe Globales Lernen 2009)

Was ist Globales Lernen?
„Globales Lernen bedeutet Bildungsarbeit, die den Blick und das Verständnis der Menschen für die Realitäten der Welt schärft und sie zum Einsatz für eine gerechtere, ausgewogenere Welt mit Menschenrechten für alle aufrüttelt.“
Maastrichter Erklärung zum Globalen Lernen, 2002
- Globales Lernen nimmt als Bildungskonzept für sich in Anspruch, auf die zunehmende Komplexitätssteigerung und auf die Entwicklung hin zu einer „Weltgesellschaft“ pädagogisch angemessen zu reagieren.
- Globales Lernen vermittelt Wissen über die Welt, informiert über weltweite Zusammenhänge und fördert verantwortungsvolles Handeln im Sinne einer global nachhaltigen Entwicklung.
- Globales Lernen fördert Persönlichkeitsbildung und Soziales Lernen im globalen Horizont.
- Globales Lernen ist ein pädagogisches Konzept, das Themen und Fragen der entwicklungspolitischen Bildung, der globalen Umweltbildung, der Friedens- und Menschenrechtserziehung sowie des interkulturellen und interreligiösen Lernens einbezieht. (Strategiegruppe Globales Lernen 2009)
- Globales Lernen ermöglicht es den Menschen, Wissen, Fähigkeiten, Werte und Einstellungen zu entwickeln, die nötig sind, um dauerhaft eine gerechte und nachhaltige Welt zu garantieren, in der jede/r das Recht hat, sein oder ihr Potenzial voll auszuschöpfen. (Nord-Süd-Zentrum des Europarats 2008, S. 20)
Thematische Dimensionen von Globalem Lernen

Die weltweiten politischen, ökonomischen, sozialen, ökologischen und kulturellen Verflechtungen erfordern, die Welt als Ganzes zu sehen und Lehren und Lernen danach auszurichten.
Globales Lernen bezieht sich auf den Kontext der „Einen Welt“ (und vermag dabei sehr wohl die Unterschiede in dieser Einen Welt klar zu benennen). Daraus leiten sich inhaltliche Ansprüche in Bezug auf Auswahl und Gestaltung der Themen ab. Die Hauptthemen sind die Schlüsselfragen der Gegenwart, vor allem die ökonomische und soziale Ungleichentwicklung in der Welt, die strukturelle Gewalt gegen Menschen und ganze Bevölkerungen, die ökologischen Gefährdungen. Die Ursachen werden analysiert, die möglichen Konsequenzen und Interventionsmöglichkeiten zum Thema gemacht.
Grundsätzlich können heute beinahe alle Bildungsinhalte in einen globalen Kontext gestellt werden und somit Schwerpunkte des Globalen Lernens bilden. Ein fest umrissener Themenkanon ergibt daher wenig Sinn, vielmehr werden Themen aus verschiedenen Blickwinkeln erschlossen und von unterschiedlichen Interessen geleitete Standpunkte sichtbar gemacht.
(Strategiegruppe Globales Lernen 2009, S. 8)
Didaktische Dimensionen von Globalem Lernen
Von Beginn an spielte in der Entwicklung des Globalen Lernens die Frage nach der Gestaltung von Bildungsprozessen eine zentrale Rolle. Globales Lernen ist auf Partizipation der Lernenden ausgerichtet. Als wichtigste Eckpunkte sind dabei anzusehen:
- Bildungsprozesse sollen vom Lebensumfeld aller Beteiligten ausgehen. Bei der Konzeption von Bildungsangeboten besteht daher das Erfordernis, die Interessen und die Lebenswelten der Lernenden zum Ausgangspunkt der Gestaltung von Angeboten zu machen.
- Die Erfahrungen der Lernenden sollen in den Mittelpunkt des Bildungsprozesses gerückt werden. Globales Lernen wäre so zu gestalten, dass es die Reflexion der Lernenden in Bezug auf ihre Wertvorstellungen, Meinungen, auch Vorurteile oder Stereotypen ermöglicht, Spannungsfelder wie Ungewissheiten, Widersprüche und Gefühle der Orientierungslosigkeit zulässt, zum Thema macht und die Fähigkeiten zum Umgang mit diesen Spannungsfeldern bei Lernenden stärkt.
- Die Komplexität der Inhalte erfordert Methoden, die Themen anschaulich darstellen. Die interdisziplinäre bzw. transdisziplinäre Bearbeitung von Inhalten ist ein wesentlicher Zugang im Globalen Lernen.
- Globales Lernen erfordert weiters Methodenvielfalt und ermöglicht den Lernenden Formen des Perspektivenwechsels.
- Globales Lernen sucht eine Verknüpfung von Lernen auf der kognitiven, affektiven und sozialen Ebene.
(Strategiegruppe Globales Lernen 2009, S. 8)
In den Leitlinien Globales Lernen (2008 S. 34) des Nord-Süd-Zentrums des Europarats wurden grundlegende Kriterien formuliert, um zu veranschaulichen, wie Bildungsprozesse im Sinne Globalen Lernens organisiert werden:
- Sind kohärent mit dem Inhalt des Globalen Lernens
- “Lehren” nicht, sondern bilden
- Schärfen das Bewusstsein
- Rufen bei allen Lernenden Verantwortungsgefühl hervor
- Beruhen auf menschlichen Werten
- Entwickeln kritisches Denkvermögen
- Verbinden Lokales mit Globalem
- Fördern menschliche Werte